Digital DJ

Im Ausstellungstext zur Abteilung „Technik“ in der Diskotheken-Ausstellung im Schlossmuseum Jever ist unter der Überschrift „Die Technik macht die Musik“ folgendes zu lesen:

Dem Diskjockey kam in den Diskotheken eine zentrale Rolle zu. Seine Hauptaufgabe bestand darin, dem Publikum ein breit gefächertes und kenntnisreiches musikalisches Spektrum zu bieten und es gut zu unterhalten. Technisch gesehen bestand und besteht seine Arbeit darin, rechtzeitig die nächste Platte parat zu haben und die Musiktitel mit einem fließenden Übergang zu versehen. Zumeist wichtiger als das technische Können erscheint bei einem Diskjockey jedoch die Fähigkeit, den Geschmack des jeweiligen Zielpublikums zu treffen bzw. die Stimmung des Publikums und damit die Atmosphäre und den Erfolg der Diskothek zu beeinflussen. Der Diskjockey war und ist sowohl dem Interesse seines Auftragsgebers als auch den Erwartungen bzw. den Bedürfnissen des Publikums sowie natürlich der eigenen Integrität verpflichtet.

„DJs“ wie Otto Sell haben allein oder im Team Stil und Ruf vieler Diskotheken geprägt und weiterentwickelt. Die Erinnerung an heute legendäre Oldenburger Musikstätten wie das Tiffany, der Etzhorner Krug oder das Ede Wolf ist fest mit ihm und seiner Arbeit verbunden. Tonträger wie die Schallplatte waren und sind für die Diskjockeys ein kreatives Medium und ihre musikalischen Konzepte und Kombinationen enthalten durchaus künstlerische Elemente.

Die Entwicklung der Technik spielt eine entscheidende Rolle in der Entwicklung der populären Musik und hat Einfluss auf ihren Konsum …

Passend dazu kam mir vor einigen Tagen per Newsletter der Hinweis auf eine wahre „Wundersoftware“ in die Mailbox geflattert. Für diese Software wird wie folgt geworben:

MAGIX Digital DJ macht aus dem eigenen Computer ein High-End-DJ-System! Egal ob DJ-Anfänger oder Profi – diese professionelle DJ-Software bietet alles, was ein DJ braucht: virtuelles Mischpult, Automix-Funktion, präzise Beat-Erkennung und Vorhörfunktion. Einfach Songs direkt aus iTunes® oder von der Festplatte zum DJ-Set hinzufügen, und jede Party wird wie von selbst gerockt!

Eine neue Ära des DJings beginnt!
Die integrierte mufin technology ist einzigartig und hilft bei der Musikauswahl: Statt umständlich nach neuen Songs zu suchen, einfach den Klang eines Tracks per Klick analysieren lassen – und prompt liefert die Software passenden Musik-Nachschub zum Auflegen.

„Früher“ war die Tätigkeit des DJs schwere Handarbeit, heute scheint ihm Software alles abnehmen zu wollen. Überflüssig macht sie ihn dennoch nicht, denn die Musikauswahl und ein feines Ohr und Auge für die Stimmung des Publikums kann letztlich keine Software übernehmen. Oder was sagen die DJs dazu?

Angesichts des folgenden Songs bzw. Youtube-Videos mag man sich fragen, wie eine Software ein solches Stück „einordnen“ würde. Sie hätte gewiss Probleme, obwohl das Stück in den 70er Jahren ein absoluter Diskotheken-Hit war (Begleitkommentar des Users, der das Video er- und eingestellt hat: the Dj played it in the morning … after a big hardrock noise …). Nun also viel Spass bei Deep Purple’s Jon Lord mit „Bouree“ von seiner 1975er Solo-LP „Sarabande“ (mit Andy Summers von Police an der Gitarre) …

Wilfried

1 Gedanke zu „Digital DJ“

  1. Sicherlich ist es bequem, sich ins Auto zu setzen und dem Bordcomputer zu sagen, wo man hin will, ohne das man selber das Auto lenkt. Die Technik beherrscht den Menschen. Aber will man das wirklich? Es geht doch alles dabei verloren ( Spaß, Aufregung usw.)
    Und so ist es auch beim Plattenauflegen – es sind doch manchmal die kleinen Dinge, die das Leben des Dj erleichtern wie z.B. eine Leuchte beim Mischpult oder Plattenspieler.
    Natürlich ist der Sound wichtig, wenn nicht sogar das allerwichtigste! Aber ich werde ihn trotz aller Technik nie perfekt bekommen, da ja auch das menschliche Gehör nicht perfekt ist.
    Die Musik sollte den ganzen Raum erfassen – Störungen von außen darf man nicht mehr spüren – dann ist man eingetaucht in eine andere Welt, in eine schönere Welt, die Musik hat einem ganz in seinem Bann. Man muss sagen können „das war ein super Hörerlebnis“ und nicht „Hörschädigung“.
    Und das kann nur ein erfahrener Dj mit seinem Musik- und Hörverständnis erreichen. Und er muss in der Lage sein, mit wenig Technik trotzdem den optimalen Sound zu erreichen. Er muss die Technik beherrschen und nicht umgekehrt. Er muss bei seinem Publikum sein; unter ihnen sein und dann weiß er auch, welche Musik er spielen muss.
    Die Technik sollte immer nur ein Hilfsmittel sein und niemals mehr – das Lenkrad im Auto sollte immer noch der Mensch in der Hand haben.
    Ich habe als Dj die Erfahrung gemacht, wenn ich auf mein Publikum zugehe, habe ich es leichter; dann haben beide – Dj und Publikum – mehr Spaß und Freude; und das ist doch mit das Wichtigste.

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