Jack Whites Vinyl-Coup

Die bisher so erfolgsverwöhnte Musikindustrie in den USA kommt mittlerweile aus dem Wehklagen kaum noch heraus. Nun scheint es den physischen Musikalben an den Kragen zu gehen, denn deren Verkäufe sinken bereits seit Jahren und haben nun sogar wieder den Stand von vor 1991 erreicht. Verantwortlich seien ausschließlich die prosperierenden Streaming-Dienste, die mit ihren Flatrates den Musikhörern den Kauf von CDs oder Downloads verleideten. Die Umsätze der Streaming-Dienste sowie der wachsende Verkauf von Vinyl-Schallplatten könne die Umsatzeinbußen längst nicht ausgleichen. Der Untergang der klassischen Musikkultur mit Datenträgern zum Anfassen und der Fokussierung auf ganze Alben steht, wenn man diesen Aussagen Glauben schenkt, kurz bevor.

Der Ausnahmegitarrist und Tausendsassa Jack White zeigt dagegen in diesen Wochen, dass auch ganz anderslautende Meldungen möglich sind. Seine zweite Solo-LP „Lazaretto“ hat bereits die Charts erklommen und nun hat sich auch die Vinyl-Ausgabe seines neuen Werks an die Verkaufsspitze gesetzt. „Lazaretto“ ist mit ca. 50.000 verkauften Exemplaren die meistverkaufte LP seit der Wiedereinführung von Verkaufscharts auch für Schallplatten 1993.

Plattenfreak und Kuriositätensammler Jack White hat allerdings auch viel für diesen Vinyl-Coup getan. Seine 180g-„Ultra-Version-LP“ beinhaltet z.B. zwei verstecke Songs, die sich unter dem „Center Label“ der LP befinden – wobei der Song auf der ersten Seite mit 78 RPM und der Song auf der zweiten Seite mit 45 RPM abgespielt werden müssen. Somit weist „Lazaretto“ – mitsamt der „normalen“ Abspielgeschwindigkeit von 33 RPM – ingesamt drei Abspielgeschwindigkeiten auf. Außerdem beginnt diese spezielle Edition nicht wie gewohnt an der Außenseite, sondern im Inneren der Platte, läuft also genau andersherum.

Und damit nicht genug – die zweite Seite der Platte beginnt mit dem Song „Just One Drink“, der beim Abspielen, je nachdem, wo man die Nadel des Plattenspielers aufsetzt, entweder mit einem elektrischen oder einem akustischen Intro beginnt, um dann zu einem Song zu werden.

Die Krönung dieser Platte ist dann schließlich das auf der ersten Seite eingearbeitete Hologramm, das eigens von Tristan Duke von „Infinity Light Science“ für diese LP erschaffen worden ist. Dreht sich die Platte auf dem Teller, erscheinen zwei Engel, die über dem Plattenteller zu schweben scheinen.

„Lazaretto“ besticht aber nicht nur durch die Gimmicks der LP-Version. Die Platte beweist auch, dass komplette Musikalben auch heute noch durchaus ihren Wert haben, denn man muss sie ganz durchhören, damit sie richtig „wirkt“. Obwohl sie kein Konzeptalbum ist und jeder einzelne Song für sich genommen bereits hochkarätig ist, stellt sich bei fortschreitendem Anhören zusätzlich ein ganz besonderes Hochgefühl ein, das erst mit dem Ende der Platte ihren Höhepunkt erreicht, so begeistert ist man von Ideenreichtum und Timing der Songs. „Lazaretto“ ist ohne Zweifel ein Meisterwerk, schräg, undergroundig und dennoch so harmonisch und melodisch, das man anfangs seinen Ohren nicht trauen mag. Solche Platten will man hören (und kaufen) – abseits der großen Konzerne gibt es dankenswerterweise auch heute noch genug davon.

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Wilfried

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