R.I.P. Wolfgang Welt

„Subterranean Bochum Blues“ nannte der deutsche Rolling Stone mal das Schaffen des gerade vermutlich an den Folgen seiner dauerhaften Psychopharmakamedikation verstorbenen Wolfgang Welt, der immer „ein Autor für die glücklichen Wenigen“ ↑ war und bei dem man von Tag zu Tag deutlicher spürt, dass die Lücke, die er hinterlassen hat, immer größer wird.

Wolfgang Welt war einer der ersten deutschen Schriftsteller, in dessen Werk die Rock-und-Pop-Musik eine bestimmende Rolle spielte. Einen ganz kleinen Augenblick lang schätzte man ihn als den maßgeblichen Erzähler des Ruhrgebiets, der Anfang der 1980er Jahre für Musikmagazine wie Sounds und Musikexpress Künstler wie Lou Reed oder Alan Vega interviewte, aber auch subjektive, scharfzüngige Plattenrezensionen verfasste, in denen er z.B. alle Rockmusiker mit deutschen Texten (Herbert Grönemeyer, Heinz-Rudolf Kunze, Neue Deutsche Welle) in die Tonne trat. Als DJ in der Bochumer Disko „Apple“ ignorierte er Publikumswünsche komplett und spielte Punk, New Wave und 50er-Jahre-Schlager gegen den Strich – das Wissensfundament hierfür gewann er durch seinen Job im ELPI-Plattenladen um die Ecke, die es damals noch in größeren Mengen gab.

Es waren „Welts dichte Beschreibung des Ruhrgebiets und dessen amüsant-süffige Berichte aus dem Nachtleben und den Popzeitschriften-Redaktionen der 1980er-Jahre“ (Wikipedia) ↑, die auch heute noch zu begeistern vermögen. „Ich will einigen Leuten ein Denkmal setzen, die sonst nicht mal einen Grabstein kriegen würden“, war so etwas wie ein Leitmotiv seines Schreibens, am schönsten und dichtesten in dem Roman „Peggy Sue“ umgesetzt, der 1984 den Beginn einer kleinen, autobiographischen Romanreihe markierte.

Manche Kritiker sind sich nicht einig darüber, ob man die wenigen Werke Wolfgang Welts überhaupt als Literatur bezeichnen könne. Wer sich aber einmal in ein Buch Welts vertieft hat, wird sich über diesen Streit nur wundern. Die in einem oft atemlosen Tagebuchstil ohne Kapitel aneinandergereihten Sätze begeistern von Seite zu Seite mehr, allem voran diese unvergleichliche Lässigkeit des Tons selbst in den derbsten Passagen. Nur der ebenfalls schon verstorbene Jörg Fauser, auch er beheimatet in einer (anderen) Nische des deutschen Undergrounds, kommt an diesen lakonischen Tonfall heran. Lest mal wieder – die Ausgabe „Buddy Holly auf der Wilhelmshöhe“, eine Art „Werkausgabe“ mit drei Romanen, ist im Suhrkamp-Verlag als Taschenbuch noch lieferbar …

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Wilfried

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