Heimliche Legenden

Ein sehr schönes Zitat, das allgemein Brian Eno zugeschrieben wird, besagt, dass nur 10.000 Leute das erste Album von Velvet Underground gekauft, aber alle anschließend eine Band gegründet hätten. Eine ähnliche heimliche Legende ist sicherlich der kürzlich verstorbene Alex Chilton mit seiner Band „Big Star“, der Anfang der 70er Jahre mit seinen Platten beim Publikum und der Musikpresse wenig Aufmerksamkeit fand, aber unter vielen Musikerkollegen zur Inspirationsquelle Nr. 1 wurde. Auch die deutsche Band Neu! aus den 70ern zählt zu dieser Spezies, wie man leider erst heute und viel zu spät erkannt hat.

Sicherlich gibt es weitere, sträflich unterschätzte Bands, die mit ihrem Sound ganze Generationen prägten, selbst aber wenig von dieser Entwicklung hatten. Zu diesen gehörte in den 80ern der Gitarrist Greg Sage mit seinen „Wipers“, an die wenigstens an dieser Stelle noch einmal erinnert werden soll.

In der Musikpresse und im Plattenladen wird die Musik der Wipers stets unter „Punk“ geführt. Greg Sage hat sich immer gegen derartige Klassifizierungen gewandt. Sein Traum von einer gänzlich ideologiefreien Musik sollte jedoch nicht in Erfüllung gehen bzw. am Widerstand der Plattenfirmen scheitern. Ursprünglich wollte er nämlich ein reines Plattenprojekt aufziehen und auf Promotion und Tourneen komplett verzichten. Er hoffte, dass das Publikum seine Musik besonders intensiv aufnehmen würde, wenn er selbst gar nicht in Erscheinung trat.

Das Debutalbum der Wipers von 1979 „Is This Real?“ und die kurzen, rauhen und sehr pointierten Songs haben Spuren bis weit in die 90er Jahre und bis zu Nirvana hinterlassen, die ohne die Wipers eigentlich gar nicht denkbar wären. Das folgende Youtube-Video präsentiert den Song „Window Shop For Love“, der wie die anderen Songs von „Is This Real?“ die halbe Independent-Szene der 80er Jahre geprägt hat.

Greg Sage mit seiner melancholisch-kritischen Grundhaltung wäre nicht Greg Sage, wenn er nicht mit dem folgenden Album „Youth Of America“ von 1981 versucht hätte, einen Gegenpol zu all den doch letztlich von ihm beeinflussten kurzen 2-3-Minuten-Songs zu schaffen, die in Amerika gerade angesagt waren. Die Stücke waren länger und komplexer, ohne aber ihr raues „Punk“-Feeling zu verlieren. Das Titelstück „Youth Of America“ bot so etwas wie psychedelischen Punk, sofern das überhaupt möglich sein sollte, und sorgte in den Underground-Diskos dieser Jahre für volle Tanzflächen – wenn es denn gespielt wurde.

Wilfried

2 Gedanken zu „Heimliche Legenden“

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